"Ich wusste nichts von Plotstruktur ..." - Kerstin Gier

Liebe Frau Gier, bald erscheint der finale Teil der Silber-Trilogie. Es geht sozusagen zum letzten Mal in die Welt der Träume. Wovon träumen Sie selbst?

 

Heimlich von einer besseren Welt.

 

Sie haben Ihre Protagonisten Liv und Grayson jetzt über Jahre begleitet, genauso wie Sie sich zuvor lange mit Gwen und Gideon beschäftigt haben. Wie schwer fällt es Ihnen, sich nach so langer Zeit von Charakteren zu verabschieden? Denken Sie manchmal noch weiter über bestimmte Figuren nach, ohne dass Sie darüber schreiben?

Der Abschied fällt mir nicht schwer, weil ich Henry, Liv, Lottie, Mia und Grayson wie auch Gwendolyn und Gideon und alle anderen jederzeit in meinen Büchern besuchen kann. Sie sind wie gute Freunde, die woanders hinziehen, man sieht sich zwar nicht mehr täglich, hat sich aber immer noch gleich gern. Um ehrlich zu sein freue mich aber auch schon auf die nächste Figurengeneration, die das nächste Buch bevölkern wird. In meinen Geschichten steht immer nur ein Bruchteil von allem, was ich über meine Figuren weiß.

 

Ihre Bücher sprühen in einigen Szenen nur so vor Slapstick-Momenten. Sind Sie selbst auch ein Mensch, der (dauernd?) in solche Situationen gerät? 

 

Ja, mir passieren schon merkwürdige Sachen. Aber ich glaube gar nicht, dass mir so was öfter passiert als anderen, ich versuche nur, jeder blöden Situation etwas Komisches abzugewinnen. Mit Humor kommt man einfach besser durchs Leben.

 

Sie schreiben schon seit Schulzeiten. Können Sie sich noch an Ihre allererste Geschichte, die Sie in ein Schulheft geschrieben haben, erinnern? Haben Sie die alten Geschichten aufbewahrt?

 

Nein, ich habe nicht viel von früher bewahrt, nur die Teenager-Tagebücher, die sich allerdings extrem langweilig lesen. Einer meiner ersten Geschichten handelt von berühmten historischen Persönlichkeiten, die auf Briefmarken abgebildet sind, und in einem Briefmarkenalbum total lieblos nebeneinander gelegt wurden, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Immer nachts werden sie lebendig und streiten sich. (Und dann ist die Geschichte zu Ende ... ähem. Von Plotstruktur wusste ich damals noch nichts.)

 

Viele Ihrer Bücher sind bereits in mehrere Sprachen übersetzt worden. Haben Sie den ein oder anderen Ihrer Romane schon in einer Fremdsprache gelesen? Gibt es etwas, das Ihnen an Übersetzungen besonders gefällt, bzw das Sie besonders spannend finden?

 

 Um ehrlich zu sein beherrsche ich außer Englisch keine Fremdsprache gut genug, um das Buch in der Übersetzung lesen zu können. Ein bisschen Schulfranzösisch, ein paar Brocken Italienisch und Spanisch, und das war es auch schon. Manche Übersetzer machen sich aber die Mühe, mich bei einigen Dingen um Rat zu fragen, wenn es beispielsweise um nicht übersetzbare Wortspiele etc geht, und dieser Austausch macht mir großen Spaß. Manchmal denke ich schon beim Schreiben darüber nach, wie man das wohl übersetzen könnte.

 

Sie selbst leben abseits vom Großstadtrummel in dörflich-ländlicher Region. Ihre Romane spielen in großen Städten wie Köln oder London. Können Sie sich vorstellen, den Handlungsort eines Romans auch auf dem Land anzusiedeln oder bietet das Großstadtleben für Geschichten den größeren Reiz?

 

Viele meiner Erwachsenenromane spielen in einem eher dörflichen Vorstadtklima, schon, weil mir das Umfeld sehr vertraut ist. Auch Silber spielt ja in einem sehr beschaulichen Stadtteil von London, in Hampstead, so einen richtigen Großstadtroman habe ich noch gar nicht geschrieben.

 

Auf Ihren Lesereisen kommen Sie viel im deutschsprachigen Raum herum, für Recherchezwecke sind Sie bereits oft in England gewesen. Gibt es einen Ort, den Sie unbedingt noch entdecken möchten?

 

Das Schlimme ist, dass ich Orte, die mir gefallen, unbedingt noch mal besuchen möchte, von manchen, wie London, kann ich nie genug bekommen, und auf diese Weise kommen jedes Jahr nur wenige Neuentdeckungen dazu. Allein in England gibt es für mich noch viel zu entdecken, nächstes Jahr wollen wir uns mal ganz viel Zeit dafür nehmen ...

 

Was gefällt Ihnen an Lesereisen besonders gut und was schätzen Sie hingegen am Schreibprozess?

 

Lesereisen sind aufregend, jeden Tag in einer anderen Stadt, eine andere Bühne, ein anderes Publikum, andere kleine Pannen – ich hätte nie gedacht, dass es mir so viel Spaß machen würde, vor vielen Menschen aufzutreten, früher hatte ich schon schlimmes Lampenfieber, wenn ich nur daran gedacht habe, und EIGENTLICH bin ich eher menschenscheu und schüchtern, ehrlich wahr. Aber tatsächlich liebe ich es, Menschen zum Lachen zu bringen, und auch wenn so eine Lesereise insgesamt extrem anstrengend ist, macht es mich sehr glücklich, meine Leser persönlich zu treffen. 

 

Schreiben ist das totale Kontrastprogramm, da bin ich allein und isoliert, nur auf die Geschichte fokussiert und sehe und höre niemanden außer meiner Familie und ab und zu mal gute Freunde – und das liebe ich auch.

 

Können Sie vom Schreibprozess abschalten oder gilt die Devise: Nach dem Buch ist vor dem Buch?

 

Die Phasen zwischen zwei Büchern werden in den letzten Jahren immer größer, aber auch wenn ich nicht schreibe, bin ich in Gedanken schon beim nächsten Projekt. Ich habe aber festgestellt, dass es gut tut (mir und auch der Geschichte), wenn ich ein paar Monate nur daran herumdenken darf und noch nichts zu Papier bringen muss.

 

Mein vorheriger Interviewpartner Jürgen Riering hat folgende Frage im Interview weitergegeben: Nehmen wir an, Ihr Leben wäre eine Fernsehserie. Welche Serie wären Sie?

 

Keine, die ich kenne. Meine hätte den Titel: „Neues Spiel, neues Glück“

 

Welche Frage wolltenSie in einem Interview schon immer einmal gestellt bekommen? Seien Sie doch so gut, stellen Sie sie sich und uns allen und beantworte Sie sie J

 

Ich hab das Gefühl, mich hat man wirklich schon alles gefragt J

 

Zum Schluss noch ein paar Fragen/Sätze, die Sie bitte so spontan wie möglich beantworten bzw. vervollständigen!

 

        1.      Dieses Buch hätte ich gern geschrieben: Harry Potter. Obwohl – besser machen könnte man das auf keinen Fall. 

                  Ich LIEBE diese Bücher.

        2.      Bei diesem Film würde ich gern Regie führen: Silber – das erste Buch der TräumeJ

        3.      Ein Buch ist eine Parallelwelt, gebannt in einen kleinen Stapel Papier zwischen zwei Pappdeckeln. Magisch.

        4.      Auf meinem Schreibtisch … müsste dringend mal wieder aufgeräumt werden.

        5.      Uni und Studium sind … lang her J

        6.      Ich würde sofort nach Cornwall fahren, wenn ich Zeit hätte

        7.      Wenn meine Katze sich auf die Tastatur legt, kann ich nicht weiterschreiben.

        8.      Eines Tages werde ich jede Mail in meinem Postfach beantwortet haben. Hoffentlich.

        9.      Ein Haus ohne Katzen ist wie ein Himmel ohne Sterne

        10.   Autoren sind komplizierte Wesen

 

      Ich bedanke mich ganz herzlich bei Kerstin Gier für das Interview.

      Mehr über die Autorin und ihre Bücher findet ihr auf ihrer Website.

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Kommentare: 1
  • #1

    LarasWelt (Montag, 24 August 2015 16:28)

    Ganz tolles Interview! Die Fragen sind wirklich schön ausgewählt. Außerdem liebe ich Kerstin Gier und ihre Bücher so oder so schon. Ich schreibe selber und sie ist mir ein Vorbild. Wäre gerne so witzig bei meinen Geschichten!