Eine Bucht mit tiefblauem Wasser, Felsen, die mystisch aus dem Wasser ragen und eine Burg, die auf einer Felseninsel thront. Ich muss Noahs Kommentar in seiner Instagram-Story recht geben – es gibt schlechtere Orte zum Arbeiten. Die kurzen Einblicke, die er vom Videodreh auf Sizilien geteilt hat, sind zwar alle vom offiziellen Five2Seven-Account, aber er hat sie mit seinen jeweils eigenen Sprüchen versehen. Ich lasse die Stories durchlaufen und schnipple gleichzeitig einen Apfel in meine Portion Haferflocken.
Vor dem Privatjet steht ein Kleinbus für uns bereit. Wir können praktisch aus dem Flugzeug direkt ins Auto fallen. Andy bleibt trotzdem kurz auf der obersten Treppenstufe stehen, breitet die Arme aus und ruft: „Bella Italia!“
Ich sehe über seine Schulter das Rollfeld entlang. Lange graue Gebäude, ein Tower, Asphalt und grüngelbe Grasstreifen dazwischen. Flughafen halt, auch die sehen irgendwie alle gleich aus. Aber vermutlich hat Andy recht, er freut sich schon seit zwei Wochen auf Italien.
Ben schlägt rhythmisch Akkorde, während Freddys Finger in atemberaubenden Tempo über den Hals seiner E-Gitarre fliegen. Ich werfe Martin neben mir einen raschen Blick zu. Unser Produzent zieht imponiert die Augenbrauen nach oben und die Mundwinkel nach unten und nickt.
„Ziemlich geil“, sagt er, als die beiden schließlich enden.
Ben und Freddy grinsen sich an und machen ein High-Five, Freddy deutet eine kleine Verbeugung an.
„Für das Album würde ich das Solo allerdings kürzen“, sage ich.
Es klopft von links. Falsche Richtung. Irritiert öffne ich die Augen und sehe mich um. Sitzecke, Fernseher, Schreibtisch, halboffene Tür zu einem Bad. Irgendein Hotelzimmer, kennt man eins, kennt man alle. Aber in welcher Stadt befinde ich mich?
Es klopft erneut.
„Ja?“, rufe ich, rapple mich auf und sehe mich nach meinem Handy um, in der naiven Hoffnung, dass das mir einen heißen Tipp geben kann, wo ich gerade bin. Leider kann ich das Gerät nicht finden. Verdammt.
Mit geschlossenen Augen lege ich den Kopf in den Nacken und atme tief durch, ehe ich den Schlüssel aus der Tasche hole und die Tür zu meinem Airbnb aufschließe. Es ist noch dämmrig, aber schon heller als vor einer halben Stunde, als ich losgelaufen bin. Dank der kühlen Luft bin ich jetzt auch wach.
Die anderen halten mich für bescheuert, dass ich mir diese frühmorgendlichen Laufrunden immer noch antue, und mein innerer Schweinehund hätte ihnen heute sogar recht gegeben.